Architekturbüro erklärt seinen Sieger-Entwurf
Führung mit Dipl.-Ing. Jan Grimmek von A24 Landschaft zu Ideen und Hintergründen
Der Architekt des siegreichen Entwurfs für die Landesgartenschau 2028 hat seine Pläne am Mittwoch, 11. Mai, sowohl der Presse als auch interessierten Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt. Dipl.-Ing. Jan Grimmek erklärte im Rahmen einer Führung die Grundzüge und Hintergründe seiner Planungen. Für alle, die nicht dabei sein konnten, dokumentieren wir im Folgenden die Erläuterung des Büros A24 Landschaft aus dem Wettbewerb.
STADTBLICK UND LANDSCHAFTSPANORAMA
Die historische Altstadt von Rottweil thront auf einem Felssporn hoch oben über dem Neckar. Diese dramatische Situation ist nahezu einzigartig in Deutschland. Der Neckar vor den Toren der Stadt ist für die Bürger Rottweils seit jeher landschaftlicher Sehnsuchtsort, der jedoch nur auf mühevollen Umwegen zu erreichen ist. Mit der Revitalisierung der Neckarschleifen soll das Naturerlebnis noch einmal intensiviert werden und die Flusslandschaft in den Vordergrund des übergeordneten Gestaltungskonzepts rücken. Die Verzahnung dieser zwei Welten über eine neu geschaffene Fuß- und Radwegebrücke über die Bahngleise und den Neckar ist eines der Kernanliegen der Landesgartenschau 2028. Auf der anderen Neckarseite bildet eine breite Panoramapromenade den baulichen Abschluss. Sie definiert den östlichen Parkrand und schafft eine abwechslungsreiche Abfolge von Aussichtspunkten. Der Zwischenbereich wird bewusst offengehalten und dient als grüne Kulisse vor dem markanten Altstadtpanorama.
PANORAMAPROMENADE MIT STADTBLICK
Die Panoramapromenade schafft einen markanten Abschluss des Wiesenparks. Die Hangkante oberhalb der Streuobstwiesen wird als bauliche Klammer aus ineinander geschobenen Terrassenebenen mit leichtem Höhenversatz ausgebildet. Ein Bewegungsband zieht sich als breite Hauptlinie durch die Promenade und verbindet den nördlichen Flussbalkon an der Schindelbrücke mit den tiefer liegenden Neckarstufen im Süden auf dem ehemaligen ENRW-Gelände. An dieses zentrale Bewegungsband aus Asphalt mit mineralischer Abstreu lagern sich beidseitig Nutzungsstreifen mit Aufenthaltsbereichen und Bewegungsangeboten an. Spielelemente greifen Themen der Agrarlandschaft auf. Eine breite Aussichtsterrasse mit langen Sitzstufen ist direkt auf das markante Altstadtpanorama ausgerichtet.
Die vorgelagerten Streuobstwiesen sind bewusst offen gehalten und werden nur durch drei schmale Wegebänder durchschnitten, die mit kleinen Stegen direkt an der Wasserkante enden. Das südliche Wegeband entlang des Auwäldchens wird als Brücke bis auf die andere Neckarseite verlängert. Auf den Wiesen verteilen sich Picknickbereiche, naturnahe Spielelemente aber auch Animal-Aided-Design-Objekte wie Insektenhotels. Flussbegleitend schließt ein extensives Wegeband aus wassergebundener Decke die Rundwegeschleife auf östlicher Neckarseite. Rund um die Neckarbrücke wird ein Auwaldfragment als wertvoller Naturraum erhalten. Der südliche Bereich bis zum ENRW-Gelände wird als Feuchtbiotop und Retentionsraum erhalten und lediglich durch einen schmalen Holzsteg erschlossen. Somit ergibt sich entlang der Promenadenabwicklung eine interessante Abfolge charakteristischer Landschaftsräume mit ganz unterschiedlichen Qualitäten. Das Gebäude des ehemaligen Wasserkraftwerks wird als Gastronomie und Veranstaltungsort ausgebaut. Ein stimmungsvoller Biergarten orientiert sich in Richtung Neckar und Sitzstufen vermitteln bis zur Uferkante. Auf Höhe des ehemaligen Wehrs führt eine neue Fußgängerbrücke über den Neckar.
NEUES WAHRZEICHEN NECKARBRÜCKE
Die Neckarbrücke verbindet als 211 Meter langer und 4 Meter breiter Steg die östlich des Neckars entstehende Parkanlage mit der historischen Altstadt. In einer Höhe von bis zu 19 Meter überquert die Fuß- und Radwegebrücke das Tal als Konstruktion aus einem blockverleimten Holzträger in Form eines gevouteten Mehrfeldträgers über 7 Felder mit Einzelstützweiten bis 34 Meter. Sechs im Querschnitt Y-förmige Stahlstützen mit einer Höhe zwischen 10-18 Meter tragen den Überbau, der das Thema der Viaduktbögen neu interpretiert. Das Längsgefälle beträgt 5 Prozent, horizontale Verweilpodeste machen den Steg barrierefrei und schaffen Aufenthaltsqualität mit herrlichem Blick auf Altstadt und Neckar.
STADTGARTEN MIT KASKADENWEG
Der Stadtgarten als Teil des ehemaligen Festungsrings wird in seiner Funktion als ruhige Grünfläche am Rande der Altstadt gestärkt. Die langgezogene Grünfläche in Verlängerung des Stadtgrabens erhält einen markanten platzartigen Abschluss. Die in die Jahre gekommene Konzertmuschel wird durch ein neues Bühnenbauwerk ersetzt und in eine leicht vertiefte Platzfläche integriert. Die leicht geneigten Rasenflächen mit Sitzbänken können gut als Tribünenflächen für Veranstaltungen genutzt werden. Die Hochmaiengasse wird als Barriere zwischen den Parkteilen zurückgebaut und auf eine schmale Durchgangsstraße ohne Parkierungsflächen reduziert.
An der oberen Böschungskante zum Stadtgraben wird ein balkonartiger Auftakt ausgebildet. Von hier aus steigt man über ein verspringendes System aus Treppen und Terrassen in den sich dramatisch verengenden Stadtgraben hinab. Dem Besucher eröffnet sich eine geheimnisvoll romantische Welt aus lichtem Schatten und diversen Grünschattierungen, entsprechend einer bewaldeten Felsschlucht aus moosbe-wachsenen Gesteinsbrocken und Farnen. Zwischenniveaus mit Sitzblöcken erlauben kleine Orte zum Verweilen. Die vorhandene Kugelbrunnenanlage entfällt zugunsten eines übergeordneten Gestaltungsthemas mit dem Element Wasser. Ein in den Boden eingelassenes Wasserbecken betont die Zwischenebene und schafft einen ruhigen Wolkenspiegel. Der weitere Weg von der Zwischenebene ins Tal wird vom Rauschen kleiner Bachläufe begleitet, die sich kaskadenartig zwischen Felsbrocken hindurchwinden. An der Talsohle wird das austretende Hangwasser in einem künstlichen Bachlauf gesammelt, der sich als mäandrierende Linie durch den Wiesenraum zieht. Vereinzelte Pflanzinseln mit Gräsern und Uferstauden begleiten den Bachlauf. Das Retentionsbecken markiert das Ende des Tals und betont ein wichtiges Wegegelenk. Die Zwischenebene auf halber Höhe im Hang wird über eine Rampe barrierefrei an die Stadtgrabenstraße angebunden. Entlang der historischen Befestigungsmauer südlich der Altstadt führt ein Promenadenweg, mit einer leichten Stegkonstruktion rund um den steinernen Brückenpfeiler der Hochbrücke.
Die Parkanlagen am Fuße der Altstadt dienen stärker dem alltäglichen Bedarf nach Bewegung und Aufenthalt im Grünen und werden zu einem stadtnahen Bürgerpark mit vielfältigem Angebot ausgebaut. Mehrere Wegeschleifen verbinden die unterschiedlichen Parkebenen miteinander und definieren einen Parkeingang nach Osten in Richtung Bahnhof. Ein zentraler Trendsportbereich schafft eine wichtige Attraktion im Bürgerpark. Eine bis zu 3,50 Meter hoch ansteigende Stützmauer fasst den abgeflachten Sportbereich. Die höchsten Mauersegmente werden als modellierte Boulderwand ausgebaut. Ergänzt wird die Fläche um ein Streetballfeld, Parcour-Elemente und Sitztribünen.
FLUSSAUEN MIT NECKARSTRAND
Die Neckarschleifen von der Prim-Mündung bis zur Schindelbrücke werden revitalisiert und die Bachufer naturnah ausgebildet. In die Uferbereiche wird lediglich punktuell eingegriffen. Ein 4 Meter breites Wegeband für Radfahrer und Fußgänger zeichnet in einem langen Bogen den Neckarverlauf nach und legt sich in den schmalen Bereich zwischen Bahngleisen und Flussauen. Kleine Flussbalkone schaffen in einem losen Rhythmus Aufenthaltsbereiche am Wasser und intensivieren das Naturerlebnis. Das als Eisenbahnmuseum genutzte Bahngebäude wird über eine extensiv gestaltete Vorzone an das übergeordnete Wegeband angebunden.
Der Bereich unterhalb des Viadukts wird als Freizeitbereich mit Strand und engem Bezug zu den Flussufern ausgebaut. Eine platzartige Intarsie teilt den Hauptweg und betont einen stimmungsvollen Biergarten unter Bäumen. Das Bestandsgebäude des Gaslagers wird zurückgebaut, die Asphaltdecke jedoch als effektive Bodenschutzschicht erhalten. Neue Wegebeläge werden oberhalb aufgebracht, ebenfalls der Sandspielbereich. Dadurch werden Niederschlagseinträge in den Boden reduziert und der Eintrag von gefährdenden Stoffen in den Neckar vermieden. Ein breites Holzdeck betont die Kante zum Neckarstrand mit Beachvolleyballanlage und schafft einen attraktiven Aufenthaltsort insbesondere in den Abendstunden. Sitzobjekte und Sonnenliegen ergänzen das Angebot, einzelne Sitzstufen aus Beton vermitteln zum Flussraum.